An der Atlantikküste Andalusiens scheinen sich die Wellen des Mittelmeeres in der Landschaft fortzusetzen: sanfte Hügel, fruchtbare Felder, weite Weiden und Korkeichen. Weisse Dörfer durchbrechen den Rhythmus der Natur. Gegen Osten türmt sich ein Gebirge auf, die Serrania de Ronda, mit einsamen Tälern und Naturschutzgebieten. Am Fusse der Sierra Nevada liegt schliesslich Granada mit der Alhambra, dem grössten Meisterwerk islamischer Baukunst in Europa, wo die maurischen Sultane bis ins Jahr 1492 den anstürmenden Spaniern erfolgreich die Stirne boten.
Ankommen
In gut zwei Flugstunden landen wir in Málaga. Es empfängt uns mit tief hängenden Wolken. Die Regenschauer der letzten Stunden haben die Felder in Lagunen verwandelt. Und das also ist sie, die berühmte sonnenverwöhnte Feriendestination Costa del Sol!? Keine Sorge, ein gut gelaunter Fahrer führt uns zielstrebig zu seinem Bus, der uns zu unserem eigentlichen Ziel, der Costa de la Luz, bringen wird. Wir bewundern das üppige Grün und die ersten farbigen Boten dieses Frühlings. Feriensiedlung reiht sich in Meeresnähe eine an die andere: Torremolinos, Benalmádena, Marbella, alles wohlklingende Namen, hinter denen sich Tourismusgeschichte verbirgt. An der Südspitze Spaniens erfahren wir vom arabischen Feldherrn Tarik, der von Nordafrika herkommend an diesem Felsen gelandet war. Von hier aus hatte in der Folge die Eroberung der iberischen Halbinsel durch die Mauren ihren Lauf genommen. Während fast 800 Jahren prägten sie dieses Land. Heute heisst dieser Felsen Gibraltar und ist weder arabisch noch spanisch. Die Engländer halten bis heute an ihrer Eroberung aus der Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges fest.
Nach Algeciras, der Hafenstadt mit Fährverbindungen nach Marokko, verändert sich die Landschaft. Wir verlassen die Autobahn, es wird kurvenreicher, fast schon bergig. Die Strasse führt uns hinaus in eine Wildnis, die keinen Vergleich mit dem eben gesehenen der letzten Stunde zulässt. Einsam sind die Schluchten, fast entrückt die Aussicht. Ab und zu lässt uns der Blick über die 14 km breite Meerenge, über die Strasse des Herkules, die gegenüberliegende Küste erspähen. Aus den Nebelschwaden taucht der Kontinent Afrika auf.
Und da ist sie, unsere Küste, la Costa de la Luz, die Küste des Lichtes. In den nächsten zwei Tagen sollen wir im kleinen Ferienort Conil de la Frontera erfahren, erwandern und kosten, was an der andalusischen Atlantikküste so besonders ist.
Vejer de la Frontera
Vielleicht die schönste Kleinstadt im Süden von Spanien, empfängt uns etwas verschlafen. Noch ist es still in den verwinkelten Gassen mit den weiss getünchten Häusern. Es ist, als ob wir in eine andere Welt und Zeit eintreten würden. Zurück zu den Moros, den Mauren.
Hier beginnt unsere erste Wanderung. Eindrücklich sind die satt grünen Felder, die sanften Hügel, die Schirmpinien und schliesslich das Rauschen des Atlantiks. Das Ziel, der Pinienhain und die Küste mit dem legendären Cabo de Trafalgar. Hier errang der englische Admiral Nelson 1805 in seiner letzten Schlacht den Sieg über die spanisch-französische Flotte, den er mit seinem Leben bezahlte.
Naturpark la Breña und Càdiz
Am nächsten Tag sind die Regenwolken definitiv vergessen. Die Wanderung knüpft an, wo wir am Tag zuvor den Atlantik genossen haben. An der Steilküste hängt üppiges Grün von den Felswänden, überall tropft Süsswasser. Caños de Meca heisst dieser Ort. Unser Weg führt uns in sicherer Distanz zu den Felsen durch eine wunderbare Küstenlandschaft. Bei der Torre del Tajo, 100 Meter über dem Meer geniessen wir die vom Fahrer selbst gepflückten Erdbeeren, die herrliche Aussicht und die milde Brise. Im einst wichtigen Fischerort Barbate endet die heutige Wanderung, doch noch nicht der Tag: Kulinarisches und Kulturelles stehen heute noch auf dem Programm!
In Chiclana erfahren und probieren wir wie die Weine aus dem Sherry Gebiet geht. Das Mittagessen wird uns in Mitten der Weinfässer serviert: Pescado frito, frittierter Fisch und ein währschafter Eintopf, wie er in Cádiz gerne gegessen wird. Ein Spaziergang nach diesem Essen ist eine Wohltat – noch mehr wenn dieser über die alten Stadtmauern der ältesten Stadt Europas führt. Cádiz, umgeben vom Meer, ist eine Stadt des Lichtes.
Abschied vom Atlantik
Die Sierra de Grazalema, das Gebirge im Hinterland von Cádiz, empfängt uns frühlingshaft. In Benamahoma beginnt der Wanderweg an einem kleinen Bach. Vogelgezwitscher, das Rauschen des Wassers und die ersten wärmende Sonnenstrahlen verzaubern uns auf dieser Wanderung. Weit weg sind wir vom Alltag, jeder auf seine Weise. Am Mittagstisch in el Bosque, wo frische Forelle serviert wird, finden wir schnell wieder zu einander. Die Gespräche sind angeregt und anregend. Ein neues Ziel liegt noch vor uns. Ronda. Auf dem Weg dorthin ist es Zahara de la Sierra, das wie ein weisser Vogel Horst über dem See thront. Sind es Gänsegeier, die wir über uns sehen? Möglich, denn eine wichtige Kolonie dieser bedrohten Vogelart befindet sich unweit in den Bergen hinter dem Dorf.
In Ronda, so erfahren wir vom einheimischen Stadtführer, liegt die Wiege des modernen Stierkampfes. Es waren Schmuggler und Banditen, die die Gegend kontrollierten und Poeten wie Ernest Hemingway, die die Schönheit des Hochplateaus in Worte fassten.
Mit der Lokalbahn unterwegs
Gemütlich führt uns der Zug in einem grossen Bogen durch die Landschaft um Ronda. Einmal lieblich, dann wieder schroff liegen die Dörfer eingebettet in das Kalkgebirge. Von einem kleinen Bahnhof führt unser Weg geht bergauf und bergab. Heute machen wir mit den Folgen ausgiebiger Regenfälle Bekanntschaft. Zum Glück tragen die meisten gute Wanderschuhe. Es kann also auch in Andalusien nass sein. Ronda taucht in der Ferne auf, es schwebt geradezu in der Landschaft. Noch ist es weit entfernt, noch liegt ein langer Weg vor uns. Dieser zeigt uns diese Region in all ihren Facetten: hügelig offen, lichte Korkeichenwälder, saftige Felder und zum Schluss schroffer Fels. Ronda zeigt sich uns von seiner besten Seite.
Sierra de Grazalema
Herrlich ist die Fahrt in die Berge. Noch kühl ist die Luft auf über 1000 Meter über Meer. Auf einem Bergweg steigen wir hinein in die Karstlandschaft. An gewissen Stellen glauben wir in der Weite das Meer zu sehen oder sind es die ausgedehnten sanften Felder zwischen dem Atlantik und dem Gebirge? Eindrücklich ist die raue Schönheit dieser Gegend. Die vielen Steineichen dienten früher der Holzkohlegewinnung. Viele haben jetzt bizarre Formen und wir übertreffen uns beim Erkennen von Fabelwesen in ihrem Geäst. Fast unwirklich ist diese Gegend in ihrer Schönheit. Wir vergessen Zeit und Raum. Ganz wirklich ist unser Hunger und ganz vorzüglich dürfen wir ihn in Grazalema stillen.
El Torcal
Richtung Osten verlassen wir Ronda. Wieder sind es weite Felder, Olivenhaine, Weiden und nur ganz wenige Ortschaften, die an unseren Augen vorbeiziehen. Wir wollen nach el Torcal. Was könnte sich hinter diesem Namen verstecken? Wieder in einem Gebirge angelangt, sehen wir erst nur Nebel. Es wird spannend. Fantastisch ist es, als er sich zu lichten beginnt und die bizarren Felsformationen dieser Karstlandschaft in der Sonne erstrahlen. Drachen, eine Sphinx, das Kamel und vieles mehr können wir in den Felsen erkennen. Zu guter Letzt werfen wir einen Blick Richtung Küste und erahnen das Mittelmeer, wo unsere Reise angefangen hatte.
In Antequera angekommen sitzen wir fürstlich am Hauptplatz zu Tisch. Ausserhalb der Stadt betreten wir ehrfürchtig die Dolmen, Ganggräber, aus vorgeschichtlicher Zeit. Unglaublich, wo zu die Menschen bereits vor mehr als 4500 Jahren fähig waren. Etwas unruhig durch die Vorfreude auf unser letztes Ziel und Höhepunkt dieser Reise, machen wir uns auf nach Granada.
Alhambra – Die letzte Hochburg der Mauren
Es ist endgültig Frühling und wir sind in Granada. Der Morgen begrüsst uns mit klarer Luft und Sonnenschein. Granada schläft noch, während wir in der Altstadt erste Eindrücke sammeln. Endlich ist es so weit, wir besuchen die Alhambra. Wir lassen uns durch die Worte der Führerin leiten; durch die Höfe, die Gärten, den Generalife und die Alcazaba, und endlich öffnen sich die Tore zu den maurischen Palästen, den Palacios Nazaries. „Quien no ha visto Granada, no ha visto nada“. Wer Granada nicht gesehen hat, hat nichts gesehen. Das sagte man sich früher – gilt aber zweifellos auch noch heute. Zufrieden kehren wir der Stadt den Rücken und nehmen denselben Weg zur Küste wie damals der letzte Mauren-König Boabdil. Er musste seine Stadt verlassen, denn die christlichen Heere hatten gesiegt. Genau wie er damals, kommen wir an die Küste. Doch unser Herz ist leicht. Wir können das Meer, das kleine Strandrestaurant und den strahlend blauen Himmel zum Abschied geniessen, bevor wir tags drauf zurück in die Schweiz fliegen.
Mehr Informationen:
Tipp
9-tägige Wanderreise
Dieser Bericht basiert auf der Wander-reise von Imbach Reisen, Luzern. Im Frühling und Herbst organisiert Imbach Wander-reisen nach Andalusien, die von Schweizer Wanderleitern begleitet werden.
Die nächsten Reisedaten:
31. Okt. – 08. Nov. 2015 und 02. April – 10. April 2016
Text und Bilder: Marianne Zimmermann, www.imbach.ch; shutterstock