Warum ausgerechnet Weihnachten auf den Färöern verbringen? Auf Inseln, von denen viele nicht einmal wissen, wo sie liegen? Festtage am abgelegensten Ort Europas können aber viele schöne Überraschungen bescheren.
Die Winternächte sind lang auf 62 Grad Nord. sehr lang. Und am längsten über die Festtagszeit. Die Sonne käme zwar auf dieser nördlichen Breite noch für zwei, drei Stunden knapp über den Horizont. Trotzdem lässt sie sich oft wochenlang gar nicht blicken zu dieser Jahreszeit. Ein Sturm jagt den anderen über die Färöer Inseln. Schnee folgt auf Regen folgt auf Schnee – fast immer waagrecht – auf dem knapp 1500 Quadratkilometer kleinen, autonomen Archipel zwischen Schottland und Island. Für die nördliche Breite ist es im Winter erstaunlich mild; weisse Weihnachten keineswegs garantiert und Minusgrade selten. Wenig Argumente also, die Festtage auf dieser so abgelegenen Inselrepublik mit 50 000 Menschen, die eine ganz eigene Sprache sprechen und Kultur haben, zu verbringen.
Wirklich?
Wirklich? Nein! Wer genauer hinblickt, entdeckt auf den grünen und im Winter weissen Inseln vielleicht genau die richtigen Trouvaillen für die etwas andere Weihnachts-Reise. Warum also nicht die Festtage auf der Insel in der kleinsten Hauptstadt der Welt verbringen? Wenn in der färöischen Kapitale Tórshavn, in der keine 20’000 Menschen leben, die Festtages-Zeit naht, werden vielerorts kleine Verkaufsstände aufgestellt. Direkt beim Hafen am Vágsbotn-Platz und kaum drei Gehminuten entfernt im Stadtzentrum beim Tinghúsgarðurin entstehen zwei kleine Weihnachtsmärkte mit gemütlichem nordischem Charme. Gewissermassen dazwischen liegt die öffentliche Eisbahn, vom 29. November bis 8. Februar geöffnet von 8 bis 22 Uhr (Sonntag 14 bis 22 Uhr) und für 20 dänische Kronen pro Stunde (Schlittschuh-Miete zum gleichen Preis) benützbar.
Atemberaubend
Diverse Läden bieten färöische Produkte und Kunsthandwerk an. Beliebtestes Geschenk sind zweifellos gestrickte Woll-Pullover und -Jacken mit ihren typisch färöischen Strickmustern. Originelle Einkaufsmöglichkeiten gibt es im Öström (da gibt’s auch feinen Kaffee und Kuchen, Skálatrøð 18), Guðrun & Guðrun (Strickware, teils in ausgefallenen Designs, Niels Finsensgøta), Maria Poulsen Búnýti (für Dekoratives, Tórsgøta 10) oder Mikkalina Glas (Glaskunst, Niels Finsensgøta 32) oder Tutl (Färöische Musik, Niels Finsensgøta 9c), um nur einige Beispiele zu nennen. Die nordischen Inseln sind nicht nur dank der besonderen weihnächtlichen Stimmung und der geselligen Gastfreundlichkeit der Einheimischen eine Winterreise wert, sondern auch wegen der unvergleichlichen Intensität der Naturerlebnisse. Wenn während der langen Nächte plötzlich die Wolken aufreissen, besteht jederzeit die Chance, mystisch wallende Nordlichter zu beobachten – ein atemberaubendes feierliches Erlebnis.
31-Meter-Welle
Atemberaubend und ein Erlebnis für sich ist die rohe Naturgewalt der Winterstürme, die in einer Stärke über die Inseln fegen, wie man sie auf dem Europäischen Festland kaum kennt. Dazu die Wellen, für alle, die einmal den buchstäblichen Fels in der Brandung beobachten wollen. Meereswellen erreichen hier fast unvorstellbare Grössen. So kommt es fast jeden Winter ein- bis mehrmals vor, dass Monsterwellen bis in den Leitisvatn-See auf der Insel Vagar schwappen. Dieser liegt 31 Meter über Meer … Vor und nach den Stürmen herrscht Ruhe. Diese macht einem dann so richtig bewusst, wie abgeschieden das Leben auf den kleinen Inseln mitten im nördlichen Atlantik ist. Wer über die Festtage Ruhe und Erholung sucht, liegt deshalb mit einer Reise auf die Färöer Inseln ganz richtig.
Reisetipps:
Auf die Färöer fliegen: www.atlantic.fo
Zum Übernachten: Hotel Tórshavn, Hotel Hafnia, Hotel Havn, haben noch offene Zimmer (Stand Ende Oktober 2015). Mehr Infos unter www.booking.com
Für Färöer-Reisende: www.visitfaroeislands.com
Für Touristen in Tórshavn: www.visittorshavn.fo
Bilder: Ingi Sørensen
Text: Hans Peter Roth